Kino
Konfrontation: 12 Years a Slave
Ein Film, der den Zuschauenden nichts erspart und sie zwingt, hinzusehen.
Ein Film, der den Zuschauenden nichts erspart und sie zwingt, hinzusehen.
Man kann den Sheriff schon verstehen, der den alten Mann mit den zerzausten Haaren, der dem Highway entlangmarschiert, anhält und als Vagabunden einstuft. Woody Grant allerdings hat ein Zuhause, auch eine Ehefrau und zwei Söhne, aber genauso hat er ein Ziel: seinen Hauptgewinn abholen.
«Some of it is true.» Einiges davon sei wahr, heisst das; und so verhalte es sich unvermeidlicherweise, bliebe beizufügen. Mit den kargen fünf Silben quittieren die Angelsachsen allerlei fiktionalisierte Fakten oder faktionalisierte Fiktionen. Sie tun es immer dann, wenn es jene Schwelle zu bezeichnen gilt, die beim Wechsel vom einen zum andern überquert sein will: nach beiden Richtungen.
Eine gottverlassene, mythische Gegend ist der Schauplatz im ausgereiften, kammerspielartigen Beziehungsdrama des schottischen Regisseurs und Drehbuchautors Scott Graham (geboren 1974). Shell ist sein Spielfilmdebüt, eine Weiterentwicklung seines gleichnamigen Kurzfilms von 2006, der international für Aufsehen sorgte.
China als ein Volk in Bewegung: So zeichnet Jia Zhang-ke in seinem neuen Spielfilm sein Heimatland. A Touch of Sin spielt in der Welt der Wanderarbeiter, dem gewaltigen Strom von armen Leuten aus der Provinz in die Metropolen und reichen Regionen, auf der Suche nach (oft illegaler) Arbeit.
Traumland ist eine Milieustudie, ein Drama, in dem viele kleine Episoden sich zum herben Weihnachtsblues türmen und an dessen Ende eine junge Frau in bitterkalter Morgendämmerung mutterseelenallein auf einer Bank über der Stadt sitzt. Traumland ist nicht lieblich, nicht unterhaltsam, nicht vergnüglich – aber verdammt eindrücklich.
Geld, Gier, Drogen, Alkohol und Sex: Martin Scorseses Blick hinter die Kulissen der Wall Street ist eine burleske Show, laut, geschäftig, wild, ungestüm, komisch, mit aussergewöhnlicher Virtuosität inszeniert. Und in jeder Hinsicht besonders.
«Les films avancent comme des trains, tu comprends? Comme des trains dans la nuit», sagt François Truffaut in La nuit américaine. Am Anfang von Lars von Triers Europa fährt die Kamera über das Geflecht der Schienen, während die Stimme des Erzählers uns in Trance redet. So funktioniert Kino: Es fährt mit uns Zug. In Locomotive von Christoph Girardet und Matthias Müller eilen die Züge von rechts nach links und zugleich von links nach rechts durchs Bild, verschwinden von vorne nach hinten und nähern sich von hinten nach vorn. Drei Screens nebeneinandergestellt schaffen ein Super-Mega-Cinemascope, wo sich die Bilder verketten, so wie man Züge rangiert. Alle Bilder haben Anschluss und rasen mit uns davon. Die Hypnose kann beginnen.
Vaters Garten heisst Peter Liechtis jüngster Film. Er ist eine jener «Wurzelbehandlungen», denen sich der Filmemacher seit seinen Anfängen immer wieder unterzogen hat.